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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kernfusion - so funktionierts



Der Kantelberg
29.06.2013, 22:49
Ich hatte im alten Forum ja mal einen Thread dazu angefangen. Dann lag der lange rum. Und heut stöber ich so die Dateien auf meinem Rechner durch und siehe da: ich hab mir da Sicherheitskopien von gemacht. Also vom Text. Das ist schön, denn nun kann ich das Gerettete hier mal wieder reinstellen, falls es jemand interessiert.

Das Ganze kam glaub ich so zu Stande, dass wir die Forumsaktivität ankurbeln wollten und man mal was schreiben sollte, falls man beruflich oder sonst was Interessantes macht. Ich arbeite nun nicht an der Fusion. Aber mein Fachbereich Niedertemperaturplasmaphysik ist ziemlich dicht dran. Und hier in Greifswald gibt ja auch einen Fusionsreaktor im Bau. Und da hab ich mir gedacht: Das Thema ist immer mal wieder aktuell, du weißt ein bisschen da drüber, also schreibste was dazu.

Hier nun erst mal die geretteten Posts von "dermaleinst". Falls ihr was nicht versteht, aber gerne würdet, fragt einfach nach.

Der Kantelberg
29.06.2013, 22:54
Bei den Betrachtungen zur Kernfusion geht man aus von dieser Kurve hier aus.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/archive/9/9b/20100223221325%21Binding_energy_curve_-_common_isotopes_DE.svg/698px-Binding_energy_curve_-_common_isotopes_DE.svg.png

Aufgezeichnet ist die Bindungsenergie im Atomkern pro Nukleon (Nukleon = Proton oder Neutron)
Also im Helium4 hat jedes Proton oder Neutron eine Bindungdsenergie von 7 Mega-elektronenvolt, Bei Eisen sinds ca. 9, bei Uran ca. 8.
Wenn man nun z.B. den Urankern spaltet, kommt man von Uran in die Richtung von Eisen. Die Kerne gewinnen dabei Bindungsenergie. (die einzelen Nukleonen halten sozusagen stärker zusammen). Die gewonnene Bindungsenergie wird dabei in Form von Wärme frei. Nun sieht man an der Kurve, dass da mit Kernspaltung nicht soviel zu holen ist - Die Differenz der Bindunsenergie pro Nukleon ist zwischen Uran und Eisen nur ca. 1 MeV pro Nukleon.
Wenn man sich aber das vordere Ende anguckt, sieht man da die beiden Wasserstoffisotope H2 und H3, die bei 1 bzw. 2,5 MeV pro Nukleon liegen und Helium, dass bei 7 MeV liegt. Die Differenz ist deutlich größer, und somit gewinnbringender.

Das Ziel der erdgebundenen Fusion ist also die Verschmelzung von H2 (Deuterium) und H3 (Tritium) zu He4 und einem (übrigbleibenden) Neutron. In der Sonne finden übrigens andere Fusionsreaktionen statt. Die von Deuterium und Tritium sind nur die, die bei den niedrigsten Temperaturen stattfinden. Und die sind immer noch hoch genug.

Das Problem mit den hohen Temperaturen ergibt sich aus der elektrostatischen Abstoßung der beiden Fusionspartner. Diese Barriere muss erst überwunden werden, da die Kernkräfte, die zur Bindung beitragen, extrem kurzreichweitig sind. Also muss man die Teilchen schnell genug "Zusammenschießen", damit sie dicht genug für die Kernkräfte kommen. Und dieses "schnell genug" bedeutet dann eben, dass das Gasgemisch ne Temperatur von 5 Mio. Grad (oder warens doch Mill.) :D ) haben muss. (Temperatur ist ja nichts anderes als ein Maß für die Bewegung der Teilchen)

Bei den Temperaturen existieren natürlich keine Atome mehr, die Teilchen sind komplett stoßionisiert. (durch Stöße mit anderen Gasteilchen verlieren sie ihre Elektronen) Es bildet sich also ein Plasma.
Dann fragt man sich natürlich: Wie um alles in der Welt kriegt man das so heiß? Darauf werd ich vielleicht später noch mal kommen, das ist durchaus nicht so einfach, man kann ja nicht einfach ne Herdplatte anschalten.
Und die nächste Frage. In welchem Gefäß fängt man 5 Mio Grad heißes Gas ein, dabei schmilzt ja jegliche Materie weg.

Man muss sich also andere Möglichkeiten überlegen. Und da kommt das Plasma ins Spiel.

Der Kantelberg
29.06.2013, 22:59
Wie kriegt man nun die extrem heiße Materie, die bei diesen Temperaturen als Plasma vorliegt, vernünftig eingefangen?

Vielleicht kennt ihr aus der Schule noch die Lorentz-kraft (http://de.wikipedia.org/wiki/Lorentzkraft). Sie bewirkt, dass ein geladenes Teilchen sich nicht von dem magnetischen Feld lösen kann, sondern immer eine Spiralbewegung um die Magnetfeldlinie herum durchführt. Diese Spiralbewegung nennt man Gyration und das sieht so aus:

http://www.ipf.uni-stuttgart.de/lehre/plasmaphys/plasma1/lorentz.gif


http://www.ipf.uni-stuttgart.de/lehre/plasmaphys/plasma1/lorentz2.gif
http://www.leifiphysik.de/web_ph09_g8/umwelt_technik/09fusion/gyration.gif

Die Elektronen kreisen andersrum als die Ionen wegen der Entgegengesetzten Ladung. Der Kreiselradius der negativ geladenen Elektronen müsste auch noch viel kleiner sein, weil die ne kleinere Masse haben als die Ionen, aber gleiche Ladung. Das Magnetfeld beeinflusst jedoch nur die Bewegungsrichtung Senkrecht zu den Feldlinien, nicht parallel zu den Linien.

Man muss also die Magnetfeldlinien irgendwie wieder in sich selber überführen, damit die Ionen und Eletronen immer schön an den Magnetfeldlinien lang sausen und ja nicht irgendwo auf eine Wand treffen. Und da bleibt dann als Form für das Magnetfeld nur der Torus (wie ein Schwimmring oder Donut) übrig.

Der Kantelberg
29.06.2013, 23:10
Die Frage ist natürlich, wie stellt man so ein torusförmiges Magnetfeld überhaupt her?

Im Grunde genommen nimmt man einfach kreisförmige Spulen und ordnet sie so an, dass sie einen Torus ergeben. Natürlich ist es nicht ganz so einfach so. Das Magnetfeld muss nämlich auch recht stark sein. Für ein hohes magnetfeld braucht man starken Strom. Und damit man bei den Stromstärken keine Verluste durch den elektrischen Widerstand in der Spule hat, muss die Spule aus supraleitendem Material (http://de.wikipedia.org/wiki/Supraleiter) sein. Das dumme bei Hochtemperatursupraleitern, die ab ca. -150 Grad abwärts anfangen mit der Supraleitung ist nur: Das sind alles Keramiken. Und Keramiken lassen sich schlecht verarbeiten, man kann sie nicht schmelzen, nicht schmieden, nicht schweißen. Also müssen doch Metalle her. Und die werden dann ab -250 Grad abwärts supraleitend. Und da braucht man dann für die Kühlung flüssiges Helium. Und das ist teuer. Ziemlich teuer. Deswegen verwendet man das in einem geschlossenen Kreislauf.

Wenn nun so ein Fusionsexperiment einen Durchmesser von vielleicht 5 Metern hat, dann hat man auf diesen paar Metern ein Temperaturgefälle von -269°C bis 5 Mio°C. Ein ziemlich hoher Temperaturanstieg. (oder Abfall, je nachdem von wo man kommt)


Wir haben also unser torusförmiges Magnetfeld. Das sieht so aus wie in diesem Bild hier die obere Abbildung:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4b/Tokamak_fields_lg.png

Das Blaue sind die supraleitenden Spulen. Die Schwarzen Pfeile die Magnetfeldlinien. Soweit so gut. Die Teilchen folgen immer schön als Spiralbewegung den Magnetfeldlinien und kommen so nicht aus dem Torus raus. Soweit die naive Theorie. In der Praxis sieht das leider anders aus. Der Grund dafür sind Plasmadriften. Das sind Teilchenströme innerhalb des Plasmas, die es den geladenen Teilchen ermöglichen von den Magnetfeldlinien weg zu kommen. Insbesondere hier zu erwähnen ist die ExB-Drift (E kreuz B-Drift) auf die werd ich im nächsten Post mal eingehen.

Der Kantelberg
29.06.2013, 23:13
Ab jetzt wird die Ganze Geschichte komplizierter. Wir begeben uns nämlich ins Gebiet der Plasmadriften.

Wichtig hierfür ist erst mal dieses Bild:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b3/Charged-particle-drifts.svg/424px-Charged-particle-drifts.svg.png

Hier sind von oben nach unten 4 Fälle der Bewegung eines geladenen Teilchens im Magnetfeld aufgezeichnet. (Die Magnetfeldlinien kommen in dieser Darstellung aus dem Bild raus.)
1.) Ganz oben: Ungestörte Bewegung. Die Spiralbahn verändert die Position hinsichtlich der Magnetfeldlinie nicht. Es herrschen weder Unregelmäigkeiten noch externe Felder vor.
2.) Ein Elektrisches Feld ist senkrecht zum Magnetfeld hinzugekommen. Jetzt wird die Spiralbahn zur Seite abgelenkt. Man läst bei diesen Driftgeschichten eigentlich immer diese Spiralbewegung - die Gyration - außen vor und betrachtet die Bewegung des Führungszemtrums. Das ist der Mittelpunkt der Spiralbahn. Und dieses Führungszentrum bewegt sich nun seitlich weg. Und zwar für positive und negative Teilchen gleichermaßen. Diese seitliche Wegbewegung heißt E-kreuz-B-drift, weil sich ein elektrische Feld (E-Feld) und ein magnetisches Feld (B-Feld) dazu überkreuzen müssen.
3.) Eine externe Kraft senkrecht zum Magnetfeldkommt dazu. (z.B. Gravitation.) Die Führungszentren der Teilchen bewegen sich wieder seitlich weg, jedoch die Plusse andersrum als die Minusse.
4.) Beim letzten Fall ist das Magnetische Feld nicht konstant sondern wird in Pfeilrichtung (also wieder senkrecht zu den Magnetfeldlinien) stärker. Wieder gibts ne seitliche Wegbewegung. So ein Ansteigen einer Größe bezeichnet man auch als Gradienten. Deshalb heißt diese Bewegung Gradient-B-Drift. (Das H in dem Bild ist nur eine andere Bezeichung fürs Magnetfeld. Ich verwende immer B)

Es gibt noch mehr Driften in so nem Plasma und ich hab auch noch nicht erklärt, wie genau diese 3 zu stande kommen. Das und die weiteren Bewegungen erspar ich euch und mir mal lieber....

Der Kantelberg
29.06.2013, 23:17
Wir rufen uns wieder mal unseren Torus in Erinnerung, in dem wir das Plasma einfangen wollen. Die Magnetfeldlinien gehn immer schön rum. Aber sie sind nicht überall konstant. Dadurch, dass die Spulen ja nicht grade hintereinander folgen sondern immer eine leichte Krümmung dazwischen ist (klar, sonst kann man mit denen keinen Ring basteln), ist das Magnetfeld im Zentrum stärke als außen. Man hat also eine Änderung der Größe des B-Feldes, also einen B-Gradienten. Es gibt also eine Gradient-B-Drift, die folgendermaßen aussieht:

Das B-Feld zeigt immer um den Torus rum. Der Gradient geht in Richtung Zentrum. Wenn man sich jetzt die letzte Grafik des letzten Posts anguckt, und sich versucht, das räumlich vorzustellen, sieht man, dass die Drift nach oben oder nach unten gehen muss, je nachdem, ob die Teilchen Positiv oder Negativ geladen sind. Positive Ionen werden nach oben abgelenkt, negative Elektronen nach unten. Das ist erstmal nicht weiter schlimm, sammeln sich die Ionen halt etwas weiter oben in der Plasmakammer an. Aber dummerweise führt diese, durch die Gradient-B-Drift hervorgerrufene, Ladungstrennung zu einem Elektrischen Feld. Klar, wenn ich unten mehr Plusse haben und oben mehr Minusse, dann entsteht da eins. Und zwar senkrecht nach unten gerichtet (die Feldlinien gehen von Plus nach Minus) - und damit auch senkrecht zum Magnetfeld, was immer dem Ring entlang geht.

Wir haben jetzt also ein E-Feld und ein B-Feld, die beide senkrecht sind, und damit kommt die E-Kreuz-B-Drift ins Spiel. Wenn man sich wieder das Bild anguckt sieht man, dass die Drift für beide Ladungen gleich gerichtet ist, und in diesem Falle nach außen zeigt. Und das ist das Problem. Die Ionen fliegen wegen dieser Drift nach außen und blieben nicht lange genug an den Magnetfeldlinien dran. Das geht in Bruchteilen von Sekunden, da sind die schon weg. Der Hochtemperaturplasmaphysiker redet hier von der Einschlusszeit.

Dieses Problem zu lösen, ist einer der Hauptschwerpunkte in der Fusionsphysik. Wie man da in Ansätzen rangeht, kommt dann im nächsten Post.


Edit: Ich hätte hierzu gerne noch ein Bild, hab aber keins gefunden. Hoffe, die Erklärung ist verständlich... :un

Der Kantelberg
29.06.2013, 23:20
Weiter gehts. Wir haben also eine Drift nach außen. Unsere geladenen Teilchen, die eigentlich schön fusionieren sollen, sind in Sekundenschnelle an der Außenwand. Das wollen wir ändern. Und dazu muss man das Magnetfeld verändern. Das darf nicht einfach ganz normal um den Torus rumgehen, sondern muss modifiziert werden.

Und zwar, in dem man eine Spiralkomponente mit dazugibt. Zu sehen ist das in diesem Bildchen hier:

10216

Erst mal kann ich ja die neuen Begriffe erklären. Die Toroidale Richtung ist einfach die Richtung, die um den Ring rumgeht. Dieses Magnetfeld hatten wir schon. Jetzt kommt eine neue Richtung dazu, die Poloidale Richtung. Sie wenn man den Querschnitt betrachtet um den Körper rum. Ist schwierig zu erklären, im Bild wird denk ich klar was gemeint ist. Diese Richtungsangaben werd ich vielleicht später noch mal ausgraben. Jedenfalls kommt jetzt eine Poloidale Magnetfeldkomponente dazu. Beide Komponenten überlagern sich und das gibt ein Spiralförmiges Magnetfeld. Man spricht auch vom Helikalen Magnetfeld. Das Wort Helikal kommt von Helix, was von der DNS, die oft als Doppelhelix bezeichnet wird, bekannt sein könnte und bedeutet einfach Spirale.

Und wie hilft die jetzt dabei, die Ionen drinne zu halten? Ganz einfach. Die fliegen ja immer an den Magnetfeldlinien lang, sind sozusagen an sie gebunden Nur dass sie halt langsam nach außen wegdriften, diese Driftbewegung ist aber langsamer als z.B. eine Rotation um den Torus rum.
Wenn jetzt die Teilchen auf der Außenseite sind, fliegen sie nach außen weg. Durch das Spiralförmige Magnetfeld werden sie aber an die Innenseite des Torus gebracht. Hier fliegen sie jetzt zwar auch wieder nach außen, aber das bringt sie wieder zurück ins Zentrum des Querschnitts.

Soweit die Theorie. Jetzt steht man aber vor dem nächsten Problem: Wie realisiert man so ein helikales Magnetfeld? Das ist nämlich nicht so einfach. Es gibt 2 Hauptherangehensweisen an dieses Problem.

Der Kantelberg
29.06.2013, 23:22
Das ist das, was ich gerettet hab. Mehr war auch nicht.

Wenns euch interessiert, würd ich noch ein bisschen weiter schreiben.

Dellaway
29.06.2013, 23:33
Sehr interessant und vor allem für Laien weitestgehend verständlich.:top

Von mir aus gerne mehr davon. :)

visti
30.06.2013, 00:38
:popcorn

lowcut
30.06.2013, 14:24
Das ist echt interessant, Kantel. :top

JeWnS
30.06.2013, 19:05
Das ist echt interessant, Kantel. :top

Finde ich auch. :top

tankovaya
01.07.2013, 12:11
In der Tat.

Der Kantelberg
01.07.2013, 17:38
Dann schreib ich mal weiter:


Wie kriegt man nun ein torusförmiges, helikales Magnetfeld?

Es gibt in der Forschung 2 Arten, wie dies realisiert wird wir beginnen mit Möglichkeit 1:

Der Tokamak (http://de.wikipedia.org/wiki/Tokamak)

Dazu verändert man an den Spulen, die ein Torusförmiges Magnetfeld erschaffen, erst mal gar nichts. Die Poloidalkomponente des Magnetfeldes soll von einem Strom herkommen, den das Plasma selber erzeugt. Es muss ein Strom um den Torus herum fließen, dieser erzeugt dann per Induktion (http://de.wikipedia.org/wiki/Elektromagnetische_Induktion) ein poloidales Magnetfeld. Zusammen mit dem ursprünglichen Magnetfeld ergibt das dann das gewünschte helikale.

Das ist in der Abbildung hier zu sehen (die wir weiter oben schon mal hatten):

10245

Ganz oben haben wir in blau die Hauptspulen für das toroidale Magnetfeld. In der Mitte kommt nun der Strom im Plasma dazu (roter Pfeil) und das davon induzierte poloidale Feld. Im dritten Bild ist dann resultierende helikale Magnetfeld gezeigt.

So weit, so gut, aber: Wie kriegt man das Plasma dazu, dass dadrin ein Strom fließt? Man hat zwar viele freie bewegliche Ladungsträger in einem Plasma (die ganzen Elektronen und Ionen, aus denen das besteht) aber die gewegen sich von alleine eher zufällig. Und man kann ja nicht einfach irgendwelche Klemmen da rein halten. Die Lösung ist wieder: Induktion.

Man legt jetzt zusätzlich von außen ein elektrisches Feld an, dass sich aber ändert. Ein sich änderndes elektrisches Feld führt zu einem Strom bei frei beweglichen Ladungsträgern (genau das nutzt jedes Kraftwerk mit dem Generator aus - oder auch ein Fahrraddynamo). Dazu braucht man nun noch extra Spulen. Man kann sich das so ähnlich wie ein Transformator (http://de.wikipedia.org/wiki/Transformator) vorstellen. Im nächsten Bild sind diese zusätzlichen Spulen eingezeichnet:

10246

Und zwar die grünen und das weiß-rosane in der Mitte.


Problem: Das E-Feld muss sich ändern. In einem Trafo oder Dynamo ist das kein Problem, denn hier wird Wechselstrom erzeugt oder mit Wechselstrom gearbeitet. Wir wollen in dem Plasma aber keinen Wechselstrom, sondern Gleichstrom. Der soll die ganze Zeit in die gleiche Richtung fließen. Lösung: Der Strom in den Trafospulen muss einfach immer größer werden. So lange er das mit konstantem Zuwachs tut, wird in Plasma ein Gleichstrom erzeugt - und genau das wollen wir. Nun ist aber dem Anwachsen des Stromes eine Grenze gesetzt. Unendlich groß kann man ihn nicht werden lassen, also muss irgendwann der Plasmastrom zusammenbrechen und damit auch die Poloidalkomponente unseres Magnetfeldes. Und genau dann hört auch der Einschluss des Plasmas auf. Es trifft auf den Rand und geht aus.
Wenn der Reaktor aber groß genug ist, kann man den Trafo-Strom aber recht lange immer höher treiben. Mittlerweile sind da anscheinend Zeiten bis zu 15 min möglich.


Tokamaks (das Wort ist ein russisches Akronym) gibts es ne ganze Menge. Der jetzt gebaute Fusionsreaktor in Frankreich, ITER (http://de.wikipedia.org/wiki/ITER) ist einer. In Deutschland gibts auch ein paar: Im Forschungzentzrum Jülich steht TEXTOR (http://de.wikipedia.org/wiki/Forschungszentrum_J%C3%BClich#Tokamak_TEXTOR), in Garching steht ASDEX Upgrade (http://de.wikipedia.org/wiki/ASDEX_Upgrade). In England gibts noch das Experiment JET (http://de.wikipedia.org/wiki/Joint_European_Torus), was vor ITER das größte war, mit den längsten Einschlusszeiten.
Denn obwohl der Tokamak nur einen gepulsten Betrieb zulassen würde, hat er gegenüber der Alternative einen entscheidenden Vorteil: Er funktioniert besser. Jedenfalls bisher. :D

visti
02.07.2013, 10:23
Es gibt in der Forschung 2 Arten, wie dies realisiert wird wir beginnen mit Möglichkeit 1:

:popcorn Und die 2.? :look

Der Kantelberg
03.07.2013, 00:07
Möglichkeit Nummer 2:

Wir bauen die Magnetfeldspulen einfach ein bisschen anders - komplizierter halt, sodass da von vornherein ein helikales Magnetfeld bei rauskommt.

Der Stellarator (http://de.wikipedia.org/wiki/Stellarator)


Wie gesagt, man baut die Spulen also gleich so, dass das Feld helikal ist. Dann kann man sich die ganze Geschichte mit dem Strom im Plasma sparen... - so die Idee. Die ersten Versuche sahen so aus: (Das Bild kennt ihr auch schon von oben.)

http://spielersofa.de/attachment.php?attachmentid=10216

Man baute einfach zu den toroidalen Hauptfeldspulen zusätzliche Spulen, die sie spiralartig um den Torus herumwinden. Im Bild heißen sie Helikale Windung. Problem: Das funktioniert nicht. Das Plasma bricht einfach sehr schnell aus. Deswegen wurde in den 60ern bis 90ern der Tokamak bevorzugt.

Man fand später raus, worans liegt: minimale Ungenauigkeiten in der Anfertigung, im Einbau und auch, dass da nur 4 helikale Windungen eingebaut sind, verschlechtern den Einschluss. Das einschließende Magnetfeld hat sozusagen Löcher. Ok, dann baut man das eben so, dass da keine Löcher drin sind - das ist aber nicht so einfach. Man muss viel berechnen, simulieren, neues Experiment bauen, wieder Löcher finden, wieder berechnen simulieren....

Nach 10 Jahren Rechenzeit mit nem CRAY-Rechner (http://de.wikipedia.org/wiki/Cray) (Aussage meines Hochtemperaturplasmaphysik-Profs) kam dann das hier raus:

10265

Das Blaue sind die Spulen, das Gelbe das entstehende Magnetfeld. Man baut die Hauptspulen so, dass das Feld gleich vernünftig wird. Hierbei muss mit ner Präzision im µm-Bereich gearbeitet werden, damit das später funktioniert - sowohl bei der Berechnung als auch bei Anfertigung und Einbau der Spulen.


Wir Greifswalder hoffen natürlich, dass der Stellarator besser funktioniert als der Tokamak, denn hier wird ja grade Wendelstein 7X (http://de.wikipedia.org/wiki/Wendelstein_7-X) gebaut. Ein Vorteil wäre schon mal, dass der prinzipiell im Dauerbetrieb laufen könnte. In Garching gibts auch noch nen Stellarator, Wendelstein_7-AS (http://de.wikipedia.org/wiki/Wendelstein_7-AS) den Vorläufer vom Wendelstein 7X. Die Japaner haben auch ein größeres Experiment, die Amis und Briten auch was. Der Tokamak ist zur Zeit halt prestigeträchtiger.

So viel zu den prinzipiellen Reaktoren. Demnächst kommt ein bisschen was zum "Drumrum"