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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Debatte über des Urheberrecht - Sven Regener hält das Impulsreferat



Spaceman
22.03.2012, 10:44
Uns fehlt so oder so ein Faden, um über die geselleschaftliche und politische Perspektive des Themas Urheberrecht zu sprechen.

Hier Sven regeners Meinung dazu: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/regener_interview100.html

Jim
17.04.2012, 09:52
Huch, der Thread hier ging irgendwie unter.
Bin jetzt erst auf den Link aufmerksam geworden und wollte ihn hier auf´s Sofa setzen.
Hab dazu (leider?) nichts zu sagen, aber auf ein paar Meinungen von euch gehofft.

BrainDamage
17.04.2012, 12:39
Die Vorwürfe Regeners teile ich. Auf Dauer kann das nicht funktionieren, wenn diejenigen, die "schöpfen" keine Vergütung erhalten. Am Ende müssen die sich dann auch fragen, wie sie die Familie satt bekommen. Mit einem fleißigen "Wir-kopieren-alles" wird das nicht funktionieren.

wisthler
17.04.2012, 12:43
Sehe ich ähnlich, aber gerade die Filmindustrie hat Rekordumsätze. :gruebel
Weiß jemnad die Zahlen der Musikindustrie? Haben die sich mittlerweile erholt?

slowcar
17.04.2012, 12:58
Auf Dauer kann das nicht funktionieren, wenn diejenigen, die "schöpfen" keine Vergütung erhalten.
Vollkommen richtig, und das ist der aktuelle Zustand, wobei "keine" durch "kaum" ersetzt wird.
Jemand der Musik macht verdient nur einen Bruchteil dessen was Konsumenten für seine Werke ausgeben, der Großteil geht an die Verwerter.

Dazu die Aufklärung der Piratenpartei (http://www.piratenpartei.de/2012/04/15/vorstellung-der-urheberrechtspositionen-der-piratenpartei-und-aufklarung-von-mythen/) , denn denen werden ja die wildesten Dinge unterstellt, wie zum Beispiel "wir-kopieren-alles".

Aktuell ja gerade in der Debatte: GEMA fordert 1000% mehr Geld von Diskotheken (http://www.tagesspiegel.de/kultur/rechteverwertung-gema-fordert-1000-prozent-mehr-geld-/6512142.html)

Das aktuelle Urheberrecht ist aus der Informations-Steinzeit (1994), siehe z.B. diesen Artikel von Netzpolitik (http://netzpolitik.org/2012/wie-ich-lernte-der-brandeins-nicht-mehr-zu-vertrauen/)

BrainDamage
17.04.2012, 13:20
Und was sagt es aus, daß das Urheberrecht aus der Steinzeit sein soll? Relativ wenig, abgesehen davon, daß es durch 8 europäische Richtlinien sowie Richterrecht regelmäßig fortentwickelt wurde.

Und was soll das Recht auf "nichtkommerzielle Vervielfältigung" anders sein als ein "wir kopieren alles"? Wenn lizenzlos vervielfältigt werden darf, soweit es nichtkommerziell erfolgt, sehe ich nicht, wie der Urheber in diesem Fall vergütet werden soll.

Die Erklärung "im Gegenteil wächst der Kulturgütermarkt beständig, lediglich der Absatz unzeitgemäßer Medien, wie Musik-Kassetten und -CDs, wurde schwieriger." ist doch bezeichnend. Natürlich verdient an der CD nicht nur der Urheber, sondern auch die Inhaber der Verwertungsrechte, aber daß diese einen gewissen Beitrag zu der Veranstaltung leisten ist doch ebenso unzweifelhaft wie der Umstand, daß es das Recht des Urhebers ist, zu entscheiden, was mit seinem Werk geschieht. Und wenn er die Verwertungsrechte auf einen Dritten überträgt, ist es erst mal sein Bier.

Insoweit ist die Erklärung "Der freie Zugang zu Wissen und Kultur ist entscheidend für die Entwicklung der Gesellschaft. Ihn aus rein wirtschaftlichen Überlegungen einzuschränken, ist gesellschaftlich nicht tragbar" entlarvend. Jede Verwertung, auch durch den Urheber selbst, erfolgt stets aus wirtschaftlichen Überlegungen. Der Zugang als solcher wird ja durch das Urheberrecht idR nicht beschränkt, so daß Wissen und Kultur die Gesellschaft entwickeln können. Es nur seinen Preis. Der freie Zugang zum Lebensmittelmarkt ist - essentielles Bedürfnis - auch sinnvoll. Sollen deswegen eine Pflicht bestehen, Lebensmittel kostenfrei zu verteilen?

Und wo liegt denn bitte die Antwort der Piraten auf die Frage, wie Urheber (und Verwerter) vergütet werden sollen. Da gibt es irgendwelche Sonntagsmärchen von Crowdfounding und Werbung, aber das als nebulös zu bezeichnen, ist noch zurückhaltend. Eigentlich fehlt nur der Verweis darauf, die Urheber könnten auch Lotto spielen, falls sie gewännen, hätten sie ausgesorgt.

In den Forderung sind die Piraten ja recht frei, aber konkrete Lösungen für die Probleme liefern sie nicht. Ich sehe im Forderungskatalog nichts, was über ein freien Zugang zu allem hinausginge:

"Im Einzelnen fordern wir:

dass keine Überwachungs- oder Zensurtechnologien wie Vorratsdatenspeicherung, Kommunikationsüberwachung oder Internetsperren zur Rechtedurchsetzung eingesetzt werden,
die Verkürzung von gesetzlichen Schutzfristen, die in ihrer bisherigen Länge vor allem den Verwertern zugute kommen,
dass keine Beschränkungen durch Kopierschutzmaßnahmen oder gar Sperrungen von Internetanschlüssen erfolgen,
mehr Mitspracherechte für Urheber gegenüber den Rechteverwertern wie ein Zweitverwertungsrecht oder eine zeitliche Begrenzung von »Buy-Out«-Verträgen,
eine neue Schrankenregelung des Urheberrechts, die das freie, nichtkommerzielle Kopieren von kreativen Werken im Internet legalisiert,
eine zeitgemäße digitale Archivierung für Bibliotheken,
die Befreiung der Bildungseinrichtungen von Urheberrechtsabgaben,
den freien Zugang zu mit öffentlichen Geldern finanzierten Inhalten wie bspw. wissenschaftliche Arbeiten oder Medien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten,
die Legalisierung privater offener (WLAN-)Netzwerke durch die Abschaffung der Störerhaftung."

slowcar
17.04.2012, 14:06
"nichtkommerzielle Vervielfältigung" ist in den USA als "Fair Use" sehr erfolgreich in Gebrauch.
Wenn jemand ein Photo, um mal ein Beispiel zu nehmen, toll findet und es mit seinen Freunden teilt muss er von dem Fotograf keine Rechte eingeräumt bekommen, kein Entgelt zahlen etc.
Wenn er es in seiner neuen Firmenbroschüre verwendet schon.

Wenn man in Deutschland lustige Bilder auf seinem soup.io Account posted befindet man sich aktuell irgendwo zwischen Abmahnfalle und Gefängnis, ähnlich ist es bei Facebook etc.


Jede Verwertung, auch durch den Urheber selbst, erfolgt stets aus wirtschaftlichen Überlegungen.
Das ist meiner Meinung nach weit von der Realität entfernt. Nicht nur das "sharen" auf Facebook usw ist nichtkommerziell (zumindest vom User aus), es gibt auch viele Künstler die ihre Werke in die Public Domain stellen und nichtkommerziell arbeiten.

Es gibt auch durchaus ausgearbeitete Konzepte, letztendlich geht es aber darum dass über Urheberrechte usw Verhandlungen stattfinden die über das Abnicken von Entwürfen der Contentindustrie hinausgehen.
Was ich z.B. gut finde ist das in Polen gestartete Konzept Schulbücher mit CC-Lizenz zu veröffentlichen, das spart den Lehrern (und Schülern) viele Probleme und senkt Bildungsschranken für weniger Wohlhabende.