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Saphirs elf Schatzln. Eine Saison Kickers Offenbach
Anhang 6359
Hallo, Leute.
Die neue Saison steht an, ich bin künstlerisch nicht eingespannt, eine Dauerkarte liegt drückend in meiner Geldbörse und ich bin frisch geoutet, da kam mir die Idee: Wie wäre es, wenn ich all diese Umstände nutze, um einen Blog zu schreiben, in dem ich den Verein für ein Jahr begleite? Spielberichte, Erwartungen, Erfahrungen, Persönliches... alles aus einer Perspektive, aber vielleicht auch für andere interessant?
Gehen wir es also an. Ich weiß zwar nicht, wie es endet, aber ich habe einen Beginn.
In dem Sinne, auf eine schöne Zeit.
Christian / Saphir
Ähhm... Saphir, wtf? Oder: Mein persönlicher Weg
Au weh, denke ich mir, kaum dass ich meinen Beitrag absendete. "Frankfurt" steht in meinem Wohnort, "blau schimmernd" darüber und das Avatarbildchen... wie schaffe ich es nur, euch zu überzeugen, dass ich es nicht mit dem Bornheimer Hang, sondern dem Bieberer Berg halte und dass an dem Wochenende die fremde Stadt nicht Bonn (zu Animagic), sondern Stuttgart heißt?
Dass ich mich als Kind für Fußball interessierte, ist wohl nicht verwunderlich, dass ich auch zwei Jahre im ehrenwerten TSV Heusenstamm spielte (als so eine Art Pandora), habe ich schon bei Booky erwähnt. Die WM 1990 hatte ich gerade verpasst, mein Verein war damals Hamburg (ich weiß nicht mehr, warum), ehe die mir zu schlecht wurden und ich zu Dortmund wechselte. Ich feierte Meisterschaften... und ließ dann meine Liebe zu dem Verein mit meinem Interesse für Fußball verblassen, auch wenn noch lange Zeit in meinem Bett ein BSB-Kopfkissen lag. Kickers Offenbach war mir damals nicht einmal ein Begriff, die krebsten zu dieser Zeit in der dritten und vierten Liga herum.
Jahre vergingen, dann zog es mich zum Studieren nach Erlangen und in eine Männer-WG. Lange Zeit hörte ich interessiert zu, ob denn Nürnberg, Fürth oder München die beste Mannschaft stellt und warum die jeweils anderen geringzuschätzen wären, dann wurde es mir wichtig, selbst eine Flagge zu tragen. Eine Suche nach einem Verein, das ist eine Suche nach den Wurzeln, also ließ ich meine Kindheitserinnerungen fallen... Dortmund, was hatte ich mit Dortmund zu schaffen? Ein- oder zweimal bei einer Rollenspielcon dagewesen zu sein lässt einen ja nicht sagen, Stadt und Menschen zu kennen.
Meine Prioritäten sahen wohl so aus:
a.) Ich bin Hesse. Mein Verein kann nur ein hessischer sein.
b.) Tradition ist mir wichtig. Geschichte und Geschichten bilden die Seele.
c.) Erfolg ist mir nicht wichtig. Ich wurde schon als Kind Meister, das reicht mir.
d.) Im sichtbaren Bereich sollte er sich auch befinden, aber das ist für mich mit Liga 3 gegeben.
Ihr seht, es bleibt nicht viel. Die Eintracht mochte ich schon als Kind nicht und mit ihren Fans sammelte ich schlechte Erfahrungen. Heusenstamm mag zwar, obgleich an Offenbach angrenzend, ziemliches Eintracht-Land sein, aber... nein. Zumal bin ich Randgruppen-Angehöriger und fühle mich in den Nischen einfach wohler als im Mainstream, woraus diese auch bestehen mögen.
Ihr seht, für mich ist es eine recht frische Liebe, jetzt seit... vier Jahren? Fünf? Ich gestehe, ich weiß es selbst nicht mehr. Auch wenn das verflixte siebte Jahr noch vor mir liegt und ich sicher nicht alles gutheiße, was geschieht, fühle ich mich doch ganz wohl. Seitdem ich auch wieder vor Ort bin, wurde die Bindung freilich stärker, und wenn das Stadion in Fahrradreichweite liegt, kann ich auch vorbeifahren, wenn ich Zeit habe, was in der letzten Saison vielleicht bei jedem dritten Heimspiel passierte. So erlebte ich zitternd das 8:7 im Elfmeterschießen des Hessenpokals gegen Darmstadt, so schämte ich mich für das klägliche 0:1 gegen Chemnitz, bei dem wegen Fan-Fehlverhalten der Spielabbruch drohte. Nun wird alles noch mehr werden, dadurch fühle ich mich mit Dauerkarte ja fast schon verpflichtet, und das heißt... ja, ihr merkt es: Ich leite langsam über.
Was ist Sieben mal Sieben?
Über Kickers Offenbach gibt es eigentlich nur drei Sachen zu wissen:
a.) In der Vergangenheit gab es einige (zumindest Achtungs-)Erfolge wie eine doppelte Vizemeisterschaft in den Fünfzigern und der Gewinn des DFB-Pokals 1970/71.
b.) Es gibt da eine Fan-Freundschaft mit Bayer Leverkusen...
c.) ... und eine Gegnerschaft zu Eintracht Frankfurt (wie auch Rivalitäten zu so ziemlich allen anderen Mannschaften der Umgebung).
Drei Dinge, die dem Verein eine Seele geben sollen und die eifrig gepflegt werden, um nicht zu einem durchschnittlichen Drittligisten zu werden, auch wenn dies faktisch schon eintrat: Wenige Monate nach meiner Geburt zum letzten Mal aus der ersten Liga abgestiegen und der dritten seit ihrer Gründung angehörend, möchte man diese schnellstmöglich nach oben verlassen, sammelt aber 7. Plätze (nur letzte Saison gab's mal einen achten) und wird in dieser Saison außerhalb des eigenen Kreises auch von niemandem als potentieller Aufsteiger gesehen. Finanzielle Probleme, besonders durch das vor zwei Wochen eingeweihte neue Stadion hervorgerufen, und ein schwieriges Umfeld (momentan sich in Machtkämpfen in der Vereinsführung äußernd... ach) sorgen nun einmal nicht für optimale Bedingungen.
Vorletzte Saison wollte man rauf. Man investierte in einen zweitligareifen Kader (darunter der nun in Frankfurt kickende Olivier Occean), legte eine phänomenale Hinrunde hin (und sie war wirklich beeindruckend. Zum Teil saß ich im Stadion und dachte mir: "Gut, so würden sie auch in der zweiten Liga nicht um den Abstieg spielen.") und warf Dortmund aus dem Pokal (leider ohne mich. Für mich gab es keine Karte), nur um dann in der Rückrunde kolossal einzubrechen. Der Druck lähmte die Spieler, Trainerwechsel bewirkten nichts und wer am Ende rennen konnte, der rannte. Der Verkauf von Berger und Occean brachte wenigstens etwas Geld in die Kassen.
Letzte Saison sollte alles ruhiger zugehen. Man verpflichtete Regionalliga- statt Zweitligaspieler, baute an Mannschaft und Stadion, schnupperte in der "ausgeglichensten dritten Liga" auch kurz Aufstiegschancenluft und kam auch zu keinem groß anderen Ergebnis (Platz 8, da sich die aufgestiegenen Aalener am letzten Spieltag noch einmal abschießen ließen). Was aber fehlte, das waren die begeisternden Spiele: Wenn die Mannschaft beim Spiel gegen die zweite Mannschaft der Bremer trotz 3:0-Halbzeitführung ausgepfiffen wurden und zum Schluß das Humba verweigert bekam, dann sagt das wohl viel. Andererseits gab es (angenehmerweise) auch kaum Klatschen. Es reichte entweder immer gerade so oder gerade so nicht.
In dieser Saison nahmen sie sich vor, auf Konstanz zu setzen: Der Kader sollte zusammengehalten werden und wurde es auch. Querulanten und solche, die das Niveau nicht brachten, ließ man ziehen und holte dafür wenige, aber qualitative Verstärkungen. Ich bin soweit überzeugt: Kickers Offenbach präsentiert sich in dieser Saison stärker als in der letzten - ob das allerdings in der nun "namhaftesten" statt "ausgeglichensten" dritten Liga auch ausreicht, muss sich noch zeigen.