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Thema: Kernfusion - so funktionierts

  1. #1
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Idee Kernfusion - so funktionierts

    Ich hatte im alten Forum ja mal einen Thread dazu angefangen. Dann lag der lange rum. Und heut stöber ich so die Dateien auf meinem Rechner durch und siehe da: ich hab mir da Sicherheitskopien von gemacht. Also vom Text. Das ist schön, denn nun kann ich das Gerettete hier mal wieder reinstellen, falls es jemand interessiert.

    Das Ganze kam glaub ich so zu Stande, dass wir die Forumsaktivität ankurbeln wollten und man mal was schreiben sollte, falls man beruflich oder sonst was Interessantes macht. Ich arbeite nun nicht an der Fusion. Aber mein Fachbereich Niedertemperaturplasmaphysik ist ziemlich dicht dran. Und hier in Greifswald gibt ja auch einen Fusionsreaktor im Bau. Und da hab ich mir gedacht: Das Thema ist immer mal wieder aktuell, du weißt ein bisschen da drüber, also schreibste was dazu.

    Hier nun erst mal die geretteten Posts von "dermaleinst". Falls ihr was nicht versteht, aber gerne würdet, fragt einfach nach.
    "Die Macht des Verstandes wird auch im Fluge dich tragen" - Otto Lilienthal

  2. #2
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Bei den Betrachtungen zur Kernfusion geht man aus von dieser Kurve hier aus.



    Aufgezeichnet ist die Bindungsenergie im Atomkern pro Nukleon (Nukleon = Proton oder Neutron)
    Also im Helium4 hat jedes Proton oder Neutron eine Bindungdsenergie von 7 Mega-elektronenvolt, Bei Eisen sinds ca. 9, bei Uran ca. 8.
    Wenn man nun z.B. den Urankern spaltet, kommt man von Uran in die Richtung von Eisen. Die Kerne gewinnen dabei Bindungsenergie. (die einzelen Nukleonen halten sozusagen stärker zusammen). Die gewonnene Bindungsenergie wird dabei in Form von Wärme frei. Nun sieht man an der Kurve, dass da mit Kernspaltung nicht soviel zu holen ist - Die Differenz der Bindunsenergie pro Nukleon ist zwischen Uran und Eisen nur ca. 1 MeV pro Nukleon.
    Wenn man sich aber das vordere Ende anguckt, sieht man da die beiden Wasserstoffisotope H2 und H3, die bei 1 bzw. 2,5 MeV pro Nukleon liegen und Helium, dass bei 7 MeV liegt. Die Differenz ist deutlich größer, und somit gewinnbringender.

    Das Ziel der erdgebundenen Fusion ist also die Verschmelzung von H2 (Deuterium) und H3 (Tritium) zu He4 und einem (übrigbleibenden) Neutron. In der Sonne finden übrigens andere Fusionsreaktionen statt. Die von Deuterium und Tritium sind nur die, die bei den niedrigsten Temperaturen stattfinden. Und die sind immer noch hoch genug.

    Das Problem mit den hohen Temperaturen ergibt sich aus der elektrostatischen Abstoßung der beiden Fusionspartner. Diese Barriere muss erst überwunden werden, da die Kernkräfte, die zur Bindung beitragen, extrem kurzreichweitig sind. Also muss man die Teilchen schnell genug "Zusammenschießen", damit sie dicht genug für die Kernkräfte kommen. Und dieses "schnell genug" bedeutet dann eben, dass das Gasgemisch ne Temperatur von 5 Mio. Grad (oder warens doch Mill.) ) haben muss. (Temperatur ist ja nichts anderes als ein Maß für die Bewegung der Teilchen)

    Bei den Temperaturen existieren natürlich keine Atome mehr, die Teilchen sind komplett stoßionisiert. (durch Stöße mit anderen Gasteilchen verlieren sie ihre Elektronen) Es bildet sich also ein Plasma.
    Dann fragt man sich natürlich: Wie um alles in der Welt kriegt man das so heiß? Darauf werd ich vielleicht später noch mal kommen, das ist durchaus nicht so einfach, man kann ja nicht einfach ne Herdplatte anschalten.
    Und die nächste Frage. In welchem Gefäß fängt man 5 Mio Grad heißes Gas ein, dabei schmilzt ja jegliche Materie weg.

    Man muss sich also andere Möglichkeiten überlegen. Und da kommt das Plasma ins Spiel.
    "Die Macht des Verstandes wird auch im Fluge dich tragen" - Otto Lilienthal

  3. #3
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Wie kriegt man nun die extrem heiße Materie, die bei diesen Temperaturen als Plasma vorliegt, vernünftig eingefangen?

    Vielleicht kennt ihr aus der Schule noch die Lorentz-kraft. Sie bewirkt, dass ein geladenes Teilchen sich nicht von dem magnetischen Feld lösen kann, sondern immer eine Spiralbewegung um die Magnetfeldlinie herum durchführt. Diese Spiralbewegung nennt man Gyration und das sieht so aus:







    Die Elektronen kreisen andersrum als die Ionen wegen der Entgegengesetzten Ladung. Der Kreiselradius der negativ geladenen Elektronen müsste auch noch viel kleiner sein, weil die ne kleinere Masse haben als die Ionen, aber gleiche Ladung. Das Magnetfeld beeinflusst jedoch nur die Bewegungsrichtung Senkrecht zu den Feldlinien, nicht parallel zu den Linien.

    Man muss also die Magnetfeldlinien irgendwie wieder in sich selber überführen, damit die Ionen und Eletronen immer schön an den Magnetfeldlinien lang sausen und ja nicht irgendwo auf eine Wand treffen. Und da bleibt dann als Form für das Magnetfeld nur der Torus (wie ein Schwimmring oder Donut) übrig.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken  
    "Die Macht des Verstandes wird auch im Fluge dich tragen" - Otto Lilienthal

  4. #4
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Die Frage ist natürlich, wie stellt man so ein torusförmiges Magnetfeld überhaupt her?

    Im Grunde genommen nimmt man einfach kreisförmige Spulen und ordnet sie so an, dass sie einen Torus ergeben. Natürlich ist es nicht ganz so einfach so. Das Magnetfeld muss nämlich auch recht stark sein. Für ein hohes magnetfeld braucht man starken Strom. Und damit man bei den Stromstärken keine Verluste durch den elektrischen Widerstand in der Spule hat, muss die Spule aus supraleitendem Material sein. Das dumme bei Hochtemperatursupraleitern, die ab ca. -150 Grad abwärts anfangen mit der Supraleitung ist nur: Das sind alles Keramiken. Und Keramiken lassen sich schlecht verarbeiten, man kann sie nicht schmelzen, nicht schmieden, nicht schweißen. Also müssen doch Metalle her. Und die werden dann ab -250 Grad abwärts supraleitend. Und da braucht man dann für die Kühlung flüssiges Helium. Und das ist teuer. Ziemlich teuer. Deswegen verwendet man das in einem geschlossenen Kreislauf.

    Wenn nun so ein Fusionsexperiment einen Durchmesser von vielleicht 5 Metern hat, dann hat man auf diesen paar Metern ein Temperaturgefälle von -269°C bis 5 Mio°C. Ein ziemlich hoher Temperaturanstieg. (oder Abfall, je nachdem von wo man kommt)


    Wir haben also unser torusförmiges Magnetfeld. Das sieht so aus wie in diesem Bild hier die obere Abbildung:



    Das Blaue sind die supraleitenden Spulen. Die Schwarzen Pfeile die Magnetfeldlinien. Soweit so gut. Die Teilchen folgen immer schön als Spiralbewegung den Magnetfeldlinien und kommen so nicht aus dem Torus raus. Soweit die naive Theorie. In der Praxis sieht das leider anders aus. Der Grund dafür sind Plasmadriften. Das sind Teilchenströme innerhalb des Plasmas, die es den geladenen Teilchen ermöglichen von den Magnetfeldlinien weg zu kommen. Insbesondere hier zu erwähnen ist die ExB-Drift (E kreuz B-Drift) auf die werd ich im nächsten Post mal eingehen.
    "Die Macht des Verstandes wird auch im Fluge dich tragen" - Otto Lilienthal

  5. #5
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Ab jetzt wird die Ganze Geschichte komplizierter. Wir begeben uns nämlich ins Gebiet der Plasmadriften.

    Wichtig hierfür ist erst mal dieses Bild:



    Hier sind von oben nach unten 4 Fälle der Bewegung eines geladenen Teilchens im Magnetfeld aufgezeichnet. (Die Magnetfeldlinien kommen in dieser Darstellung aus dem Bild raus.)
    1.) Ganz oben: Ungestörte Bewegung. Die Spiralbahn verändert die Position hinsichtlich der Magnetfeldlinie nicht. Es herrschen weder Unregelmäigkeiten noch externe Felder vor.
    2.) Ein Elektrisches Feld ist senkrecht zum Magnetfeld hinzugekommen. Jetzt wird die Spiralbahn zur Seite abgelenkt. Man läst bei diesen Driftgeschichten eigentlich immer diese Spiralbewegung - die Gyration - außen vor und betrachtet die Bewegung des Führungszemtrums. Das ist der Mittelpunkt der Spiralbahn. Und dieses Führungszentrum bewegt sich nun seitlich weg. Und zwar für positive und negative Teilchen gleichermaßen. Diese seitliche Wegbewegung heißt E-kreuz-B-drift, weil sich ein elektrische Feld (E-Feld) und ein magnetisches Feld (B-Feld) dazu überkreuzen müssen.
    3.) Eine externe Kraft senkrecht zum Magnetfeldkommt dazu. (z.B. Gravitation.) Die Führungszentren der Teilchen bewegen sich wieder seitlich weg, jedoch die Plusse andersrum als die Minusse.
    4.) Beim letzten Fall ist das Magnetische Feld nicht konstant sondern wird in Pfeilrichtung (also wieder senkrecht zu den Magnetfeldlinien) stärker. Wieder gibts ne seitliche Wegbewegung. So ein Ansteigen einer Größe bezeichnet man auch als Gradienten. Deshalb heißt diese Bewegung Gradient-B-Drift. (Das H in dem Bild ist nur eine andere Bezeichung fürs Magnetfeld. Ich verwende immer B)

    Es gibt noch mehr Driften in so nem Plasma und ich hab auch noch nicht erklärt, wie genau diese 3 zu stande kommen. Das und die weiteren Bewegungen erspar ich euch und mir mal lieber....
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  6. #6
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Wir rufen uns wieder mal unseren Torus in Erinnerung, in dem wir das Plasma einfangen wollen. Die Magnetfeldlinien gehn immer schön rum. Aber sie sind nicht überall konstant. Dadurch, dass die Spulen ja nicht grade hintereinander folgen sondern immer eine leichte Krümmung dazwischen ist (klar, sonst kann man mit denen keinen Ring basteln), ist das Magnetfeld im Zentrum stärke als außen. Man hat also eine Änderung der Größe des B-Feldes, also einen B-Gradienten. Es gibt also eine Gradient-B-Drift, die folgendermaßen aussieht:

    Das B-Feld zeigt immer um den Torus rum. Der Gradient geht in Richtung Zentrum. Wenn man sich jetzt die letzte Grafik des letzten Posts anguckt, und sich versucht, das räumlich vorzustellen, sieht man, dass die Drift nach oben oder nach unten gehen muss, je nachdem, ob die Teilchen Positiv oder Negativ geladen sind. Positive Ionen werden nach oben abgelenkt, negative Elektronen nach unten. Das ist erstmal nicht weiter schlimm, sammeln sich die Ionen halt etwas weiter oben in der Plasmakammer an. Aber dummerweise führt diese, durch die Gradient-B-Drift hervorgerrufene, Ladungstrennung zu einem Elektrischen Feld. Klar, wenn ich unten mehr Plusse haben und oben mehr Minusse, dann entsteht da eins. Und zwar senkrecht nach unten gerichtet (die Feldlinien gehen von Plus nach Minus) - und damit auch senkrecht zum Magnetfeld, was immer dem Ring entlang geht.

    Wir haben jetzt also ein E-Feld und ein B-Feld, die beide senkrecht sind, und damit kommt die E-Kreuz-B-Drift ins Spiel. Wenn man sich wieder das Bild anguckt sieht man, dass die Drift für beide Ladungen gleich gerichtet ist, und in diesem Falle nach außen zeigt. Und das ist das Problem. Die Ionen fliegen wegen dieser Drift nach außen und blieben nicht lange genug an den Magnetfeldlinien dran. Das geht in Bruchteilen von Sekunden, da sind die schon weg. Der Hochtemperaturplasmaphysiker redet hier von der Einschlusszeit.

    Dieses Problem zu lösen, ist einer der Hauptschwerpunkte in der Fusionsphysik. Wie man da in Ansätzen rangeht, kommt dann im nächsten Post.


    Edit: Ich hätte hierzu gerne noch ein Bild, hab aber keins gefunden. Hoffe, die Erklärung ist verständlich...
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  7. #7
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Weiter gehts. Wir haben also eine Drift nach außen. Unsere geladenen Teilchen, die eigentlich schön fusionieren sollen, sind in Sekundenschnelle an der Außenwand. Das wollen wir ändern. Und dazu muss man das Magnetfeld verändern. Das darf nicht einfach ganz normal um den Torus rumgehen, sondern muss modifiziert werden.

    Und zwar, in dem man eine Spiralkomponente mit dazugibt. Zu sehen ist das in diesem Bildchen hier:

    Name:  Stellarator.jpg
Hits: 1843
Größe:  18,3 KB

    Erst mal kann ich ja die neuen Begriffe erklären. Die Toroidale Richtung ist einfach die Richtung, die um den Ring rumgeht. Dieses Magnetfeld hatten wir schon. Jetzt kommt eine neue Richtung dazu, die Poloidale Richtung. Sie wenn man den Querschnitt betrachtet um den Körper rum. Ist schwierig zu erklären, im Bild wird denk ich klar was gemeint ist. Diese Richtungsangaben werd ich vielleicht später noch mal ausgraben. Jedenfalls kommt jetzt eine Poloidale Magnetfeldkomponente dazu. Beide Komponenten überlagern sich und das gibt ein Spiralförmiges Magnetfeld. Man spricht auch vom Helikalen Magnetfeld. Das Wort Helikal kommt von Helix, was von der DNS, die oft als Doppelhelix bezeichnet wird, bekannt sein könnte und bedeutet einfach Spirale.

    Und wie hilft die jetzt dabei, die Ionen drinne zu halten? Ganz einfach. Die fliegen ja immer an den Magnetfeldlinien lang, sind sozusagen an sie gebunden Nur dass sie halt langsam nach außen wegdriften, diese Driftbewegung ist aber langsamer als z.B. eine Rotation um den Torus rum.
    Wenn jetzt die Teilchen auf der Außenseite sind, fliegen sie nach außen weg. Durch das Spiralförmige Magnetfeld werden sie aber an die Innenseite des Torus gebracht. Hier fliegen sie jetzt zwar auch wieder nach außen, aber das bringt sie wieder zurück ins Zentrum des Querschnitts.

    Soweit die Theorie. Jetzt steht man aber vor dem nächsten Problem: Wie realisiert man so ein helikales Magnetfeld? Das ist nämlich nicht so einfach. Es gibt 2 Hauptherangehensweisen an dieses Problem.
    Geändert von Der Kantelberg (29.06.2013 um 23:36 Uhr)
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  8. #8
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Das ist das, was ich gerettet hab. Mehr war auch nicht.

    Wenns euch interessiert, würd ich noch ein bisschen weiter schreiben.
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  9. #9
    Pagliacci
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    Sehr interessant und vor allem für Laien weitestgehend verständlich.

    Von mir aus gerne mehr davon.

  10. #10
    Erfahrener Benutzer Avatar von visti
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    Zitat Zitat von wisthler Beitrag anzeigen
    Also ich habe es gerade getestet und konnte bei Brain daran rumfummeln.
    Zitat Zitat von BrainDamage Beitrag anzeigen
    Ist schon seltsam. Wo das Spannende mit der "Abartigkeit" gerade anfängt, hört das Strafrecht schon auf.

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