Es gibt Leute, die haben einen Horizont in Form eines Kreises mit dem Radius Null,und diesen nennen sie dann ihren Standpunkt.
White heat is screaming in the jungle
Complete the motion if you stumble
Go ask the dust for any answers
Come back strong with fifty belly dancers
Ich stimme Messi zu, dass wir uns am Anfang einer kapitalistischen Krisensituation befinden, die im Zusammenbruch des Systems münden wird. Ich gehe allerdings davon aus, dass dieser Zusammenbruch eher in einer Art von Reset, einem großen nationalen und globalen Schulden- und Guthabenschnitt, bei dem der große Verlierer die Mittelschichten sind, enden wird. Danach sehe ich keinen dauerhaft anarchischen Zustand und auch keinen neuen Kommunismus, sondern eher die Wiederkehr eines Kapitalismus, der dann wieder solange recht gut funktioniert bis die Vermögenskonzentration zu stark wird - so wie es heute ist. Mit einer sehr langen anarchischen Phase (wie Messi) rechne ich eher nicht, kann sie aber nicht ausschließen. Ob es sich bei den englischen Protesten bereits um die Vorboten des Zusammenbruchs, lasse ich mal offen. Es könnte hier auch reinspielen, dass es sich bei den Randalierern um weitgehend abgehängte Migranten handeln, die in die englische Gesellschaft nie reingekommen sind. Ich stimme auch dem Einwurf zu, dass den breiten Massen noch zu gut geht. Aber die Ränder bröckeln schon, auch in Deutschland.
In der Tat sehe ich in der sich automatisch verstärkenden Vermögenskonzentration das größte Problem. Diese ist eine zwangsläufige Folge eines kapitalistischen Systems mit einer Geldordnung, die mit dem Zinseszins operiert. Wenn erst einmal genug Geld konzentriert ist, wächst das Vermögen nach allen Ausgaben durch Kapitaleinkünfte so rasant, dass sich die Kapitalkonzentration weiter zuspitzt. Aber Dividenden, Kursgewinne usw. müssen von irgendwem bezahlt werden. Diese Aufgabe fällt dann den 95+ % der restlichen Gesellschaft zu, die keine oder keine nennenswerten Vermögen haben. Die arbeiten für die wachsende Geldmacht der Vermögenden.
Als Ausweg bliebe die Besteuerung. Darauf kam natürlich der Einwurf mit der Kapitalflucht. Beides ist richtig. Aber es sollte niemandem entgangen sein, dass die Unmöglichkeit dieser Besteuerung politisch ermöglicht wurde. Die Globalisierung, mit der freien Bewgungsmöglichkeit des Kapitals, ist zu einem Großteil von der Politik geschaffen worden. Die Politik hat in den letzten 30, 40 Jahren nicht etwa versucht, die Kontrolle über das Kapital zu erlangen, sondern sie hat sich seiner Macht unterworfen. Vor etwas mehr als 10 Jahren waren in fast der ganzen EU linke Regierungen am Ruder. Das Problem wachsender Vermögenskonzentration war nicht einmal Gegenstand der Debatte unter den europäischen Regierungen. Die Idee, Kapital so zu besteuern, dass der Zinseszinseffekt hätte gebrochen werden können, gab's nicht. Was es gab, war das Schröder-Blair-Papier und eine Sozialdemokratie, die auf europäischer Ebene dessen Ideen weitgehend folgte. Alle Maßnahmen, die danach getroffen wurden, haben das das Problem verschärft. Das gilt für Innovationen wie Hartz IV, die MwSt-Erhöhung u.a. Übrigens, der Steinbrück, der ja unbedingt Kanzler werden will, den alle so intelligent und clever finden, ist einer der größten Totengräber, den wir haben.
Das Faszinierende am politischen Diskurs ist, dass er jene Teile der Bevölkerung auseinanderdividiert, die im selben Boot sitzen. Wer 2500 Euro verdient, gehört zur CDU-Klientel. Wer 1000 Euro hat, der ist bei der Linken. Die beiden trachten sich gegenseitig nach dem Geld und jubeln, wenn sie sich mal 10 Euro mehr oder weniger aus der Tasche ziehen können. Abstruse Sache, denn in einer größeren Perspektive sitzen die beide im selben Boot. Sie werden bis ans Lebensende arbeiten, um dann ne kleine Rente zu bekommen. Große Investitionen, wie etwa ein Hausbau, sind gar nicht oder nur mit jahrzehntelanger extremer Sparsamkeit möglich. Alle arbeiten sie, damit jemand anderes schön seine Dividende bekommt usw.usf. Geht man aber nach Ökonomen, ist einer mit 2000+ Euro ja schon ein Großverdiener. Das greifen die Parteien auch dankbar auf. Da kann man ja mit 70+ % Grenzsteuer (mit Abgaben) hinlangen. Und tatsächlich, auf 2000 Euro Einkommen ist so mancher richtig neidisch. Dem muss man's nehmen! Anders ist es aber bei Brains Manager. Der zahlt vielleicht 45 % Steuer auf seinen Lohn, aber der eigentliche Witz ist doch, dass er, wenn er clever ist, nach einiger Zeit, soviel Kohle gesammelt hat, dass er allein aus seinen Kapitaleinkünften leben und sich aus dem System verabschieden bzw. auf die Seite der Geldelite wechseln könnte. Und seine schönen Kapitaleinkünfte werden dann auch noch sehr viel geringer besteuert. Es ist also nicht so, dass, um das System dauerhaft halten zu können, Kapitaleinkünfte höher, sondern gar niedriger besteuert werden als Lohnarbeit. Aber wir diskutieren die ganze Zeit, ob der Spitzensteuersatz denn nun schon bei 30.000 greifen soll, oder doch erst bei 50.000 Euro. Was für ein kranker Irrsinn! Das zeigt allerdings recht gut, welche gesellschaftlichen Gruppen die Politik steuern und wie gut diese Kreise das einfache Prinzip "Teile und herrsche" beherrschen. Aber irgendwann wird's nicht mehr gehen. Da bin ich ganz Messis Meinung.
Geändert von Ford (10.08.2011 um 17:11 Uhr)
Die werden alle ohnehin besteuert. Das sind ja auch sämtlichst Einnahmen, die Du nennst. Die Vermögensteuer ist eine Substanzsteuer, da sie sich nicht auf Einnahmen gründet, sondern allein darauf, daß man was zum Eigentum hat. Ob es sinnvoll ist, "Firmeneigentum" stärker zu besteuern, ist die Frage. Immerhin hängen am "Firmeneigentum" häufig Arbeitsplätze.
Bei den Armen wurde nicht schon alles geholt, was zu holen ist. Die haben nichts, was man holen könnte. Deswegen rührt das Steueraufkommen aus den Steuern, die die (obere) Minderheit zahlt.
Das kann man gut oder schlecht finden, aber gerade Kapitaleinkünfte sind recht "beweglich". Der normale Arbeitnehmer ist, was seine Einkünfte betrifft, nur in geringem Umfang mobil, aber Kapital läßt sich eben einfacher woanders unterbringen. Schweiz, Liechtenstein, Cayman. Alle Länder unter einen Hut zu bekommen, ist dann doch recht schwierig und dürfte bis auf weiteres unrealistisch bleiben. Deswegen ist ja auch der - mMn richtige - Ansatz, die Bemessungsgrundlage zu verbreitern und dafür die Sätze zu senken, um die Einnahmen zu sichern und den Reiz der Gestaltung zu mindern. Ich habe früher viel Steuerrecht gemacht. Wenn jemand die Kohle hat und mich nach Stunden dafür bezahlt, daß ich mir nur seinetwegen Gedanken mache um eine Schlupfloch zu finden, dann findet man auch eins. Und ich halte mich nicht mal für den schlauesten Kopf, da gab es im Steuerrecht noch ganz andere Granaten. Das ist dann wie beim Hasen und dem Igel.
Wobei ich eine (idealerweise globale, sonst zumindest regionale) Finanzmarkttransaktionsteuer gutheißen würde. Gruseliges Wort, kann nur von einem Juristen oder einem Ministerialbeamten erschaffen worden sein.
Damit haben allerdings alle Minderheitenanliegen zunächst einen schweren Stand - für Akteure, die sich bei der Mehrheitsgewinnung schwer tun, traditionell ein Riesenärgernis. (Fleischhauer)
Und auf leisen Pfoten ziehen die Wölfe in der Nacht
Doch keine Angst, denn die sind feige, blind und schreckhaft
Der erste Link ist gut, zeigt aber auch auf, was die Gründe sind und die sind ja nachvollziehbar (nein, das relativiert das Problem nicht, macht es aber verständlicher). Was dieser Link nicht zeigt, ist erstens die Größenordnung, in der sich das bewegt (bspw. im Vergleich zu anderen Vergehen/Verbrechen) und was er ebenfalls nicht zeigt, ist, wieviele der Anzeigen tatsächlich berechtigt sind. Auch das schmälert das Problem natürlich nicht qualitativ, sondern nur quantitativ (zumindest nehme ich an, dass da nicht samt und sonders alles berechtigt ist, alles andere würde mich wundern), aber immerhin.
Bleibt die Frage: Wie sollte man es anders/besser machen? Oder: "quis custodiet ipsos custodes" .
Der zweite Link ... naja, kann sein, kann auch nicht sein. .
Is mir wurscht, wenn es dir hilft .
Und genau da liegt - meiner bescheidenen Meinung nach - dein Denkfehler. Ich halte das aktuelle System für extrem verzettelt und daher unfassbar schwer reformierbar, aber evtl. in kleinen Schritten eine solche Reform für möglich, wenn der Leidensdruck groß genug wird.
Was ich nicht glaube - und davon bin ich felsenfest überzeugt - ist, dass aus einer im Wortsinn "proletarischen Revolution" wie du sie beschreibst irgendetwas Gutes, geschweige denn etwas Besseres, entstehen kann. Mich verängstigt der Gedanke an eine solche Umwälzung tatsächlich, gerade weil ich mit dem alten System untergehen könnte. Das trifft aber mit Verlaub auf uns alle zu, auch auf dich.
PS: Nur um sicherzugehen: Weder bin ich der Meinung, in irgendeiner moralischen Hinsicht besser zu sein als du, noch habe ich das irgendwo behauptet ...
My name is Kurt and I live in the Furt of a Greta Garbo Home for wayward Jigs and Krons.
Es ist die logische Alternative zu einem gewaltsamen Wandel wie von Messas prophezeit. Ein Firmwareupgrade, das Instabilität des System wegpatcht und so unnötige Reboots vermeidet. Die Umverteilung von unten nach oben konsumiert immer größere Teile der Wirtschaftsleistung. Wie würdest du dieses Problem denn angehen?
Die Frage ist gut, eine ultimative Antwort darauf habe ich nicht. Zwingend besteuert werden müsste Land, was aber durch Grundsteuern eh schon teilweise passiert. Wohneigentum in Eigennutzung würde ich nicht besteuern, zumindest nicht zusätzlich zur ggf. reformierten Grundsteuer. Geldvermögen, vermietetes und vermietbares Vermögen hingegen schon. Vielleicht mit 3 Cent für jeden €, der den Freibetrag von 1.000.000 € übersteigt.
In welche Vermögensformen könnte man dann noch flüchten? Übrigbleiben dann doch nur noch Unternehmen. Nun, wenn in Produktivitätssteigerungen investiert wird ist das zunächst einmal nicht schlimm. Man muss halt zusehen, dass wieder ein angemessener Anteil des Einkommens an die Mitarbeiter fließt. Das durch die Agenda 2010 begünstige Absinken der Lohnquote ist ein ziemliches Problem. Lohnpolitik und Vermögensbesteuerung müssten aber eh auf eine EU-weite Regelung umgestellt werden, oder zumindest im Rahmen der Eurozone. Die logische Alternative dazu ist nämlich ein Zerfall des Euro.
Damit haben allerdings alle Minderheitenanliegen zunächst einen schweren Stand - für Akteure, die sich bei der Mehrheitsgewinnung schwer tun, traditionell ein Riesenärgernis. (Fleischhauer)
Und auf leisen Pfoten ziehen die Wölfe in der Nacht
Doch keine Angst, denn die sind feige, blind und schreckhaft
ich finde ja die Idee von der Freiwirtschaft interessant, die Umsetzung dürfte sich jedoch schwer gestalten
http://de.wikipedia.org/wiki/Freiwirtschaft
da pan a los que tiene hambre da hambre a justicia a los que tienen pan
Eine Substanzsteuer funktioniert eh nicht, da Kapital ja flexibel ist. Entweder investiert man es oder schafft es ins Ausland, in beiden Fällen greift eine Substanzsteuer nicht. Das ähnlichste dazu ist noch die Erbschaftssteuer, aber die trifft auch immer die falschen, z.B. mittelständische Unternehmer, deren Unternehmen nach Abführung dieser Steuer nicht zu halten ist. Aber bei den Kapitaleinkünften kann man ruhig mal mit der großen Schere drangehen, das tut auch per Definition keinem weh - wie z.B. eine Finanzmarkttransaktionssteuer...
"Firmeneigentum" ist selbstverständlich in Anführungsstrichen, denn das ist ein eleganter Weg, um Gewinne unversteuert aus einem Unternehmen zu schaffen.
Aber das Hauptziel sind für mich auch nicht Großverdiener, sondern Konzerne. Nur kommt man denen nur international bei.
“Never assume malice when stupidity will suffice.”
Naja, die Schweiz hat aber auch einige Rahmenbedingungen, die nur sehr schwer zu kopieren sind - beispielsweise das Zentrum der Finanzwirtschaft, extrem hohe Bildung, ein eher schwaches Sozialsystem (mit sehr hohen Eigenbeteiligungen bei Krankheiten und sehr hohen (bzw. tiefen) Eintrittsschwellen bei Sozialhilfe), schwierige Einbürgerung und ist die Heimat mächtiger Konzerne.
“Never assume malice when stupidity will suffice.”