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4. Buch, 111-116
Die Szythen wußten nicht aus dem Dinge klug zu werden, kannten ihre Sprache nicht, noch auch die Kleidung und den Volksstamm: sondern hatten ihr Wunder daran, wo sie herkämen. Sie hielten sie jedoch für lauter Männer ebensolchen Alters und lieferten ihnen auch eine Schlacht; wie die Szythen aus dieser Schlacht die Toten in die Hand bekamen, sahen sie erst, daß es Weiber waren. Da berieten sie und beschlossen, sie auf keine Weise mehr zu töten, sondern ihre jüngsten Männer zu ihnen hinauszuschicken, in ungefähr gleicher Anzahl, wie jene waren, um sich in ihrer Nähe zu lagern und dann immer dasselbe zu tun, was jene täten; wenn sie aber verfolgt würden, nicht zu kämpfen, sondern zu weichen, bis sie nachließen, und dann gleich wieder in ihrer Nähe zu lagern. Diesen Beschluß faßten die Szythen in der Absicht, Kinder von ihnen zu bekommen.
Die Jünglinge wurden hinausgeschickt und taten, was ihnen befohlen war. Da nun die Amazonen merkten, sie seien ganz ohne feindliche Absicht gekommen, ließen sie sie gehen, und von Tag zu Tage rückte das eine Lager näher an das andere heran. Die Jünglinge hatten aber, ebenso wie die Amazonen, nichts als ihre Waffen und Pferde und lebten nur, wie diese auch, vom Jagen und Plündern.
Nun machten es die Amazonen zur Mittagszeit immer so: Sie zerstreuten sich, einzeln oder zu zweien, um voneinander abseits ihre Notdurft zu verrichten. Da das die Szythen auch merkten, machten sie's ebenso, und da machte sich einer an eine, die ganz allein war, und die Amazone sträubte sich nicht, sondern ließ sich's gefallen. Sprechen konnte sie nun zwar nicht, weil sie einander nicht verstanden, doch bedeutete sie ihn mit der Hand, des folgenden Tages wieder an den Ort zu kommen und einen andern mitzubringen; sie deutete durch Zeichen an, daß es zwei sein sollten, und daß auch sie eine andere mitbringen wolle. Der Jüngling ging also zurück, sagte das den übrigen und kam darauf am andern Tage an den Ort mit noch einem, wo er denn auch die Amazone fand, die mit einer zweiten auf ihn wartete. Die übrigen Jünglinge machten, als sie das erfuhren, nun auch die übrigen Amazonen sich zu Willen.
Hernach vereinigten sie ihre Lager und wohnten beisammen, und jeder hatte die zum Weibe, zu der er sich zuerst gesellt hatte. Die Sprache der Frauen waren nun zwar die Männer nicht imstande, von ihnen zu lernen, aber die Weiber nahmen die ihrer Männer an. Da sie nun einander verstanden, sprachen die Männer zu den Amazonen, wie folgt: »Wir haben Eltern, wir haben Besitz; so laßt uns denn nicht länger dieses Leben führen, sondern zurückkehren und unter dem Volke leben. Ihr aber sollt unsere Weiber sein und keine andern.« Diese sagten hierauf folgendes: »Wir würden unter euern Weibern nicht hausen können; denn wir haben nicht dieselben Sitten wie sie. Wir schießen mit dem Bogen, werfen den Speer und sind beritten; Weiberarbeiten haben wir aber alle keine gelernt; eure Weiber aber tun keines der besagten Dinge, sondern treiben ihre Weiberarbeiten, wobei sie immer auf ihren Wagen bleiben, ohne auf die Jagd auszugehen oder sonstwohin. Wir würden uns also nicht mit ihnen vertragen können. Wenn ihr uns also zu Weibern haben und euch dabei ganz rechtschaffen zeigen wollt, so geht zu euern Eltern und holt euer Erbteil: wenn ihr dann wiederkommt, hausen wir für uns allein.«
Die Jünglinge nahmen das an und taten es. Wie sie dann mit ihrem Erbteile wieder zu den Amazonen zurückkamen, sprachen die Weiber zu ihnen: »Es ist uns angst und bange, in diesem Lande zu wohnen, da wir euch von euern Vätern losgerissen und außerdem eurem Lande soviel Schaden getan haben. Weil ihr uns nun einmal zu Weibern haben wollt, wohlan, so laßt uns jetzt aus diesem Lande wegziehen, über den Tanaïsstrom gehen und dort wohnen.«
Die Jünglinge nahmen auch das an, und sie gingen über den Tanaïs und zogen drei Tagereisen vom Tanaïs gegen Sonnenaufgang und drei vom See Maiotis gegen den Nordwind, bis sie in die Gegend kamen, wo sie jetzt wohnhaft sind, und sie zum Wohnplatze nahmen. Daher haben die Weiber der Sauromaten noch ihre alte Lebensart, gehen zu Pferde auf die Jagd, mit und ohne die Männer, ziehen in den Krieg und tragen auch dieselbe Kleidung wie ihre Männer.