Nachdem die USS Axanar, ein in der Pilotepisode in einen fernen Teil des Alls verschlepptes und beim Kampf gegen die Entführer personell reduziertes Raumschiff, die erste Staffel auf der Suche nach einem Modus Operandi verbrachte und die zweite der Integration der beiden ihren eigenen Zielen folgenden Elitepiloten Tornado und Hellfire in die übrige Besatzung thematisierte, kann ich mir die Begegnung mit Lurlei und den Benshy als einen eigenen Kinofilm vorstellen: Lurlei, die erkennt, dass das große Projekt ihres Vaters zur Wiederbelebung ihres Weltengottes über die Leichen von Milliarden fremder Wesen geht, brennt durch und findet Unterschlupf bei der Axanar und sorgt somit für den Konflikt. Die Parteien unterscheiden sich herrlich voneinander: auf der einen Seite die Benshy mit einem mittelalterlichen Mindset in Besitz antiker Hochtechnologie, über deren Möglichkeiten und Funktionen sie besonders nach Verlust ihres "Verbindungsmoduls" Lurlei im Dunkeln tappen, gegen eine erfahrene Mannschaft mit nach der Zeit in der Ferne stark reduzierten Mitteln; auf der einen Seite vollziehen Mönche auf der Brücke eine Messe, auf der anderen heißt es: "Können wir noch...?"
Die Mannschaft der Axanar gelangt schließlich an den Punkt, an dem sie entweder den Kampf um die gute Sache aufgeben oder ihr Schiff opfern müssen. Sie entscheiden sich für Letzteres und stranden auf einem nahegelegenen, geretteten Planeten.
Die Erlebnisse in dieser fremden quasi-menschlichen Prä-Warp-Gesellschaft bilden die dritte Staffel. (Ich nutze die Erlebnisse dieser Story dafür nur als grobe Inspiration, da es sich ja um ein Spiel ohne Charakterunterscheidungen und Arcs handelt.) Dabei erweist sich als markant, dass die nun quasi als WG lebenden Hauptcharaktere unterschiedliche Erfahrungen mit ihrer neuen Umgebung machen, die auch für Spannungen mit dem zuvor etablierten Modus Operandi sorgen.
* Martin spielt auf der Suche nach Beschäftigung und Arbeit bei einer Sportmannschaft vor, wo er entdeckt wird und zum gefeierten Star aufsteigt. Dies lenkt viel von seiner Aufmerksamkeit und Energie, wenn nicht gar Interesse, von seiner "eigentlichen" Mannschaft ab.
* Lisa muss erleben, dass ihr Abschluss und ihre Erfahrungen als Wissenschaftlerin nicht anerkannt werden, und übernimmt zwangsweise eine für sie frustrierende Arbeit bei einer Tech-Hotline.
* Telys darf das Haus nicht verlassen, da ihre Spezies an diesem Ort entweder nicht als Lebensform anerkannt oder gar als invasiv angesehen wird. Nachdem sie davor über Jahre mit ihrem Talent und ihrer Arbeit ihr Raumschiff am Leben hielt und wohl das unersetzlichste Mannschaftsmitglied darstellte, muss sie feststellen, dass sie mit dieser Zurücksetzung und Langeweile nicht zurechtkommt.
* Andromeda und Jack treffen einen hohen Beamten, der sie für ihre Zeit in der Elite-Staffel bewundert und ihnen hohe Jobs anbietet, um diesem Planeten mit ihrem Ruhm und Fachwissen bei dem Aufbau einer eigenen Raumschiffwaffe zu helfen. Dies fängt sie im Strudel zwischen jenen Freunden, die ihrer bedürfen, den Umgang mit der eigenen Vergangenheit und einer neuen Gegenwart mit einem neuen Arbeitgeber, der sie wärmstens hofiert.
* Lurlei wird von den örtlichen Behörden, die von ihrem Volk wissen, als Person anerkannt, aber der Schulpflicht unterworfen.
* Ihr Vater Chatos, ebenfalls auf dem Planeten gelandet und sich nun stärker mit seinen Wünschen als Vater auseinandersetzend, wird derweil von einer mysteriösen Witwe namens Vij aufgenommen.
In der Staffel selbst fällt Telys die Decke auf den Kopf. In einem Moment der Schwäche landet sie mit der ebenfalls frustrierten Lisa in der Kiste und schwängert diese, was umso heikler ausfällt, da diese noch mit Jack liiert ist, aber auch von diesem vernachlässigt fühlt. Diese Schwangerschaft und die Folgen beschäftigen Lisa über die Staffel. Derweil wird Lurlei Telys' Lehrling, halb weil sich Erstere in ihre neue Gruppe einfügen möchte, halb um Letzterer eine Aufgabe zu geben. Derweil manipuliert Vij Chatos dazu, vor Gericht zu gehen, um das Erziehungsrecht für seine Tochter einzuklagen. Dies führt zu absurden Elementen, da alle Beteiligten wissen, dass Chatos die Welt zu zerstören versuchte, aber diesem Fakt nun einmal für den aktuellen Fall die Relevanz fehlt. Derweil beginnt Telys - zunächst als Beschäftigungstheorie und Gedankenspiel, dann immer konkreter - mit dem Bau eines neuen Raumschiffs, um die Heimreise fortzusetzen, wobei sie die nötigen Materialien nur über Andromeda und Jack beziehen kann. Diese beiden bewegen sich auch auseinander, denn während Andromeda der Rolle als Elite-Pilot treu bleibt, findet Jack die Arbeit am Schreibtisch und die Rolle als Verbindungsmann im militärisch-industriellen Komplex zunehmend reizvoller.
Die Handlung gewinnt an Intensität, als deutlich wird, dass Vij Chaots nur als Puppe für eigene dunkle Pläne benutzt und sich mit nähernder Fertigstellung des Raumschiffs die Frage stellt, welche Mannschaftsmitglieder überhaupt ihre neuen Existenzen für die fortgesetzte Reise zur Erde hinter sich lassen wollen.
Ich sehe, dass Lurlei und Chatos schließlich tränenreich Abschied voneinander nehmen. Letzterer - inzwischen bewusst, wie sehr er sich manipulieren ließ - gelangt an den Punkt, an dem er die Wünsche seiner Tochter nach deren neuem Umfeld und neuer Berufung akzeptiert, auch wenn dies bedeutet, sie während ihres Lebens nicht mehr wiederzusehen. Er entsendet Lurlei als "Botschafterin der Benshy an die Sterne", die den Weg ihrer Urahnen fortsetzt und verspricht, Berichte über ihre Entdeckungen und Erlebnisse in die Heimat zurückzuschicken.
Ich sehe außerdem das Piloten-Duo auseinanderbrechen. Wenn Jack bei der Axanar verbleibt, dann droht für die Zukunft eine "zweite, sich als Farce entpuppende" Reise und die Gefahr, dass er sich in einen schwer zu ertragenden vermeintlichen "nice guy" verpuppt: Er lässt erneut alles hinter sich, um seiner Irgendwie-oder-doch-nicht-Freundin beizustehen, deren frisch geborenes Kind er lange als seines erwartete, und der sich unentbehrlich fühlt, wohingegen ihn die Mannschaft trotz allem für seine Fachkenntnis mitnimmt, die sie tatsächlich dringend benötigt. Die vierte Staffel würde sich dann mit der Frage auseinandersetzen, ob er sich zum Besseren wandelt oder ganz mit der Axanar bricht.
Nimmt die Mannschaft jedoch Andromeda mit, dann wird es etwas lockerer: Andromeda stellt erneut fest, dass sie zwar den Lebensstil als Elite-Pilotin mag, aber ihr ihre Freunde mehr bedeuten als irgendein Vaterland. Sie befände sich außerdem in der Position, in der sie mit der Realität der mit der Verseuchung einhergehenden psychischen Folgen besser klarkommt und nun auch etwas zurückgeben möchte, aber diese sie trotzdem noch gelegentlich überfallen - und dafür benötigt sie nun einen neuen Rückhalt.
Schließlich bricht das inoffiziell "USS Axanar A" genannte Raumschiff auf. Zu seiner Crew gehört nun auch Lurlei, und vielleicht befindet sich auch Lisas Kind Artjom an Bord. Bei dem Schiff handelt es sich um ein neues Modell, besser an die noch einmal reduzierte Zahl der Besatzung und die vorliegende Aufgabe angepasst, was im Folgenden den Überlebenskampf-Aspekt der Serie reduziert und sie mehr als Mischung zwischen klassischer Star Trek-Serie und Seifenoper zurücklässt...
... und vermutlich erweist sich diese Veränderung von Kernton und -setting als fatal, sodass auf einbrechende Quoten ihre Absetzung folgt.*
*: Und ja, ich gehe dabei davon aus, dass Martin ebenfalls zurückkehrt, wobei es seinen eigenen Reiz hätte, wenn nach seinem Ausscheiden Captain Lisa Curland das Kommando übernimmt und sie die Dynamik zwischen Planer und Tatmenschen mit Andromeda aufbaut. Das wäre dann auch eine tolle Gelegenheit, Mizuko als von dem Planeten angeheuerte Pilotin mit in die Besatzung einzuführen, - mit der Folge eines bis auf das Kind Artjom rein weiblichen Casts.
Das klingt sooooo reizvoll, dass es fast schon einer neuen Kampagne würdig wäre. Ich lasse den Vorhang ungern sinken, doch ich habe das Gefühl, dass ich muss.
In diesem Sinne,
danke, wertes Publikum.